Unerfüllte Liebe
„Das gesamte oberflächliche Leben eines Menschen besteht darin, irgendwelche oberflächlichen Wünsche zu verfolgen, von deren Nichterfüllung frustriert zu werden, enttäuscht zu werden, nur um es erneut zu versuchen – mit einem anderen Zweig des unendlich verzweigten Wunschbaumes.“*
Welche Bedeutung haben unerfüllte Wünsche auf der Suche nach Glück und Liebe? Fast immer entsteht unsere Suche aus einer Wahrnehmung von Mangel, aus der Verzweiflung über das, was wir nicht haben bzw. nicht bekommen haben. Viele Menschen, vor allem Frauen, verfolgen die Überzeugung, nicht genügend geliebt worden zu sein und machen sich auf die Suche nach der Liebe. Der Wunsch nach Liebe entsteht also aus einem Zustand der Unerfülltheit und ist somit verbunden mit einem Idealbild: ein schöner Traum von der Liebe und wie wir sie uns vorstellen. Wie wünsche ich mir die Liebe? Welches Bild habe ich von mir als liebenswerten Menschen? Wie möchte ich, dass andere mich lieben und sehen? Schon als Kind flattern diese Wünsche wie bunte, schöne Schmetterlinge in unsere Vorstellungs – und Phantasiewelten und erzeugen Sehnsucht, Traurigkeit, Hoffnung…
Mangel an Liebe?
Die Wunschbilder, die wir mit der Liebe verbinden, erzeugen Emotionalisierung und intensive Gefühlszustände. Dramen in Partnerschaft und Beziehungen, Liebeskummer, Schmerz der Verlassenheit sowie Euphorie, Anziehung, Obsession. Je stärker die Emotion desto größer die Liebe – so haben wir es gelernt. Diese Täuschung über die Liebe führt unweigerlich zur Enttäuschung. Wohin ist die Liebe gegangen, wenn die Emotion endet? Ist sie wirklich gegangen oder haben wir sie verlassen? Geht es auf unserer Suche nach Liebe wirklich um die LIEBE oder eigentlich und im Kern um unsere Ansprüche an die Liebe? Der unerfüllte Wunsch, so harmlos sich dieser Begriff auch anhört, hat es in sich, wenn wir ihn genauer betrachten. Wir müssen die Perspektive wechseln, um tiefer zu erkennen, welche Geisteshaltung hinter der Idee der Unerfülltheit steckt. Bisher glaubten wir, dass unser Liebesmangel, unser Minderwert und die innere Leere, die wir fühlen, erzeugt wurden durch jemanden. Gleichgültig ob es die Mutter, der Vater, der Partner, der Chef, die Frauen/Männer sind – wir fühlen uns als Opfer von Menschen, die uns die Liebe vorenthalten. Und während wir uns einsam, ungeliebt und unzufrieden mit dem Leben und uns selbst fühlen, erkennen wir nicht, WER uns die Liebe vorenthält.
Die Leidenschaft des Neides
Der Neid ist eine der neun Eigenschaften, die das spirituelle Enneagramm beschreibt als eine Kraft, die Leiden schafft, indem sie unser Herz belagert und verschließt. Wenn wir unsere Defizite in der Liebe besser verstehen wollen, brauchen wir ein Wissen um die destruktive Wirkweise des Neides. So unangenehm es zuerst ist, sich zum Neid zu bekennen und ihn zu erforschen, so erhellend ist es, wenn wir die Täuschungen des vermeintlichen Liebesmangels aufdecken wollen.
„Zuerst einmal lebt der Neid von einer Konkurrenzsituation zu den „Anderen“. Andere, die es besser haben, sind das Futter für den Neid. Entweder sie haben bestimmte materielle Güter, oder sie besitzen bestimmte begehrenswerte Eigenschaften und Talente. Sie sind größer, reicher, schöner, sie sind klüger, reifer, fortgeschrittener und sie werden mehr geliebt.“
Der Neid entsteht aus dem Vergleich mit den sogenannten Anderen und vor allem aus dem Abgleich mit unseren eigenen Idealbildern von der Liebe. Als Neidische können wir nur verlieren, denn am Ende bestätigt sich unsere tiefe Überzeugung, nicht genügend liebenswert zu sein. Ein anderer Begriff für den Neid ist die Missgunst und auf dieser Spur entdecken wir eine versteckte Haltung in uns, mit der wir den anderen, aber vor allem uns selbst die Liebe nicht gönnen. Wie kann das sein? Warum sollten wir uns die Liebe, nach der wir schon so lange suchen, nicht gönnen?
Das Herz als Tor in die Wirklichkeit der Liebe
Könnte alles viel einfacher sein? Wollen wir, dass es einfach ist? Sind wir bereit, in der Einfachheit die Bedeutung zu verlieren, die wir unserem Schmerz, unserem Mangel und unserer Unerfülltheit gegeben haben?
Tiefer als unsere Wünsche und Bilder, geschieht Berührung im Herzen. Wenn wir beginnen, das Schöne und das Hässliche, das Geliebte und das Ungeliebte, den Schmerz und die Freude und alles dazwischen, das Bittere und das Süße, das Helle und Dunkle zu erlauben in Gleichmut, dann kann sich unser Herz weiten. Die Liebe nicht auf ein Gefühl zu begrenzen und zu erfahren, dass alles, was uns nahe kommen darf, im Kern eine innere Schönheit und Gutheit in sich birgt, verändert mit der Zeit unseren Einblick in die Liebe. Wir brauchen die Enttäuschung, um diese Einblicke zu bekommen. Wir brauchen die Momente, in denen unsere Wünsche zurückgewiesen werden und unsere Begehrlichkeiten ungehört bleiben. Und wenn wir diese Momente nicht feindselig abwehren, sondern als Erinnerung an die Vergeblichkeit unserer Suche erkennen, dann begleiten sie uns nach innen, in die Rückkehr zur Quelle und zum Ursprung der Liebe selbst.
Verweise im Texte:
*Unerfüllte Liebe – Der Sog in die Scheinwirklichkeit, OM C Parkin, advaitaMedia